Inzucht  vs. Fremdanpaarung

 

Für viele Menschen ist der Begriff Inzucht negativ behaftet und das zu Recht. Inzucht wird in der Hundezucht sehr häufig angewendet. Man versucht dadurch, gute Eigenschaften einer Linie zu erhalten. Leider liegt das Hauptaugenmerk der meisten Züchter nicht etwa auf den ,für den Hund, sinnvollen Eigenschaften wie Fitness, Intelligenz, Verstärkung des rassetypischen Verhaltens, sondern es werden belanglose Kriterien wie        z.Bsp. üppiges Fell, kurze kräftige Beine oder ein übertriebener Stopp zur Auswahl der Zuchtpartner herangezogen. Für den Hund ist das äußere Erscheinungsbild nicht entscheidend, es ist einzig unser menschlicher Ehrgeiz und unsere Eitelkeit, die solche Ziele definieren. Natürlich hat jeder Züchter seine Vorlieben hinsichtlich der Erscheinung und das ist gut so, denn ohne die verschiedenen Geschmäcker würde es auch keine verschiedenen Erscheinungsbilder geben. Das Aussehen jedoch als Auswahlkriterium für einen Zuchtpartner zu wählen, ist sehr bedenklich. Nicht nur, das „Schönheit“ subjektiv ist, sie dient nicht dem Individuum. Für ein glückliches, erfülltes Hundeleben sind Gesundheit, Fitness, Leistungsfähigkeit und die rassetypischen Verhaltensweisen entscheidend.

Inzucht bedeutet die Verpaarung eng miteinander verwandter Tiere. Damit verstärkt man die guten, wie auch die negativen Eigenschaften der Tiere. Genetisch gesehen werden diese Individuen von Generation zu Generation immer einheitlicher (homozygot = reinerbig in vielen Merkmalen.) Man nutzt diesen Effekt natürlich am Anfang der Entstehung jeder Hunderasse- möglichst gleiche Individuen miteinander zu verpaaren, um ein einheitliches Erscheinungs- und Verhaltensbild zu schaffen.  Vor 100 Jahren standen den Menschen noch nicht die heutigen Möglichkeiten der Wissenschaft zur Verfügung. Sie haben nicht nach genetischen Ergebnissen verpaart, sondern nach Gefühl und Verstand. Border Collies wurden zum größten Teil hinsichtlich ihrer Arbeitseigenschaften ausgesucht. (Sicher fließen immer subjektive Wünsche in die Zucht ein) Das bedeutete gleichzeitig ein gewisses Maß an Fitness/Gesundheit, denn nur ein gesunder Hund konnte auch entsprechend lange an der Herde arbeiten. Gleichzeitig wurden auch Hunde zur Zucht verwendet, die zwar die entsprechend gute Verhaltenseigenschaften zeigten, sich aber im Phänotyp (Erscheinungsbild) deutlich von den Ausgangstieren unterschieden. Das können wir auch heute noch an den unterschiedlichen Erscheinungsbildern unserer Border Collies beobachten.

Zur besseren Einschätzung der Inzucht kann man den Inzuchtkoeffizient heranziehen. Je höher der Inzuchtkoeffizient des Tieres ist, um so eingeschränkter ist seine genetische Vielfalt, im positiven wie im negativen Sinn. Positiv für den Züchter ist hier die Vorhersehbarkeit des Phänotyps und etwaige meßbare Eigenschaften wie z.B. Schnelligkeit oder das triebliche Verhalten. Negativ ist das Auftreten von sogenannten Inzuchtdepressionen  wie Fitnessverlust, geringe Wurfstärken, sinkende Körpergröße etc. . Noch schlimmer ist das Auftreten von Krankheiten, welche rezessiv vererbt werden. Durch die Verpaarung eng verwandter Tiere erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit ,das  gleiche Allele aufeinander treffen und so rezessiv vererbte Krankheiten auftreten. Natürlich kann das ebenfalls bei Fremdanpaarungen passieren, einfach weil auch der genetische Pool aller Border Collies begrenzt ist, aber die Wahrscheinlichkeit ist in diesem Fall wesentlich geringer. Nicht umsonst sind Tiere aus Fremdanpaarungen meist größer (so wie wir den Border noch vor 20 Jahren kannten), drahtiger und überzeugen durch ihre hohe Arbeitsbereitschaft.

Viele Züchter möchten unbedingt homogene Würfe, aber ist es nicht gerade das Schöne , das nicht alle Welpen eines Wurfes gleich sind? Nicht jeder Welpenkäufer möchte einen schwarzen Hund mit weißer Blesse, Halskrause und Pfoten. Die meisten Menschen möchten etwas Besonderes- nicht den gleichen Hund, wie Nachbars“ Chip“ oder“ Ben“ vom Arbeitskollegen, sondern ihren einmaligen Hund. Ist dieser Hund gesund und entspricht dem Rassetyp (nicht nur phänotypisch, sondern auch verhaltenstypisch) ,dann werden Züchter und Besitzer viel Freude an dem Tier haben. Nicht nur beim Aussehen eines Hundes haben Welpenkäufer einen unterschiedlichen Geschmack, sondern auch (und zum Glück) bei den gewünschten Wesenseigenschaften. So findet sich für jeden Interessenten auch der passende vierbeinige Partner.

Aus Gründen von Inzuchtdepressionen und für den Erhalt dieser wundervollen Rasse vermeiden wir Verpaarungen, welche einen Inzuchtkoeffizienten von über 10 % (gemessen an 11 Generationen) aufweisen. Sicher erscheint es (auch im Arbeitsbereich der Border Collies) sinnvoll, manche Linien durch Inzucht zu erhalten, um gute Eigenschaften zu manifestieren, aber das sollte nie auf Kosten der Gesundheit gehen und schon gar nicht, um das Aussehen eines Tieres zu verbessern!

In unserer clubeigenen Datenbank wird der Inzuchtkoeffizient nur über wenige Generationen berechnet. Das verfälscht natürlich das Ergebnis, denn schaut man in die Pedigrees so kann man feststellen, das die meisten Border Collies relativ eng miteinander verwandt sind. Das wiederum begünstigt das Auftreten rezessiv vererbter Erkrankungen wie Epilepsie, TNS und CEA.

Natürlich haben auch wir gewisse Vorlieben, wie etwa unsere farbigen Border Collies oder einen guten Körperbau beim Hund , aber nicht um jeden Preis und niemals auf Kosten von Gesundheit oder dem Verlust von rassetypischen Eigenschaften. Ein Border Collie ist nur dann auch ein richtiger Border Collie, wenn er über seine typischen Eigenschaften verfügt wie Intelligenz, Hütetrieb, Arbeitswillen, die Fähigkeit zum Anschleichen etc.

Wer diesen Eigenschaften nicht gerecht werden will, sollte sich lieber anderen, schon völlig überzüchteten Rassen zuwenden, welche bequem ins heutige Bild des „modernen Vierbeiners“ gepresst werden können. Die Auswahl ist hier riesig, man denke nur an Teckel ohne Jagdtrieb, Schäferhunde ohne Schutztrieb, Collies ohne Hütetrieb und und und….

 

Züchten heißt für uns, Verantwortung dieser Rasse gegenüber zu übernehmen und nicht Hunde so zu vermehren, damit sie sich gut verkaufen lassen!

 

Christiane Salvetter

Lovely little-Angel`s Border Collies